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Interview mit Manager Andreas Preuß (Manager Borussia Düsseldorf): „Das Finale zum Abschied ist auch ein Geschenk für Timo“
Rekordsieger Borussia Düsseldorf kämpft am Sonntag in Frankfurt beim Liebherr TTBL-Finale im letzten Spiel seines Idols Timo Boll um seine vierte Titelverteidigung in Serie. Im Interview spricht Manager Andreas Preuß über den Druck im Endspiel, den Wirbel um Boll vor dem Abschiedsspiel und Düsseldorfs Zukunft ohne die deutsche Ikone.
Andreas Preuß, am 15. Juni verteidigt Borussia Düsseldorf im Liebherr TTBL-Finale in Frankfurt den Meistertitel gegen Pokalsieger TTF Liebherr Ochsenhausen. Wie tief sitzt in Ihrem Klub nach nicht ganz zwei Wochen nach dem verlorenen Champions-League-Finale beim 1. FC Saarbrücken TT noch die Enttäuschung?
Es ist doch klar, dass die Enttäuschung sehr groß ist. Aber jetzt ist keine Zeit für Enttäuschung. Unsere Jungs sind Profis genug, um so eine Niederlage zu verarbeiten, ihr Blick geht schon längst wieder nach vorne auf das Finale. Jeder ist im Training, und die Vorbereitung für Frankfurt läuft auf Hochtouren.
Wie richtet man nach der erfolglosen Generalprobe für Frankfurt die Mannschaft wieder auf?
Das ist primär die Aufgabe unseres Trainers Danny Heister. Dazu gehören zunächst vor allem Einzelgespräche, mit denen wir direkt nach dem Endspiel in Saarbrücken begonnen haben. Dazu gehörten aber auch die persönliche Verarbeitung durch jeden Spieler und die anschließende Ausrichtung des Blickes nach vorne auf das letzte Spiel. Das wird begleitet durch gemeinsames Training und gemeinsame Unternehmungen. Ab Donnerstag sind alle wieder in Düsseldorf im Training. Möglicherweise werde auch ich noch einmal das eine oder andere kleine Gespräch führen, um das Selbstvertrauen der Jungs auch Seiten des Vereins nochmals zu stärken.
Kann damit die notwendige Fokussierung auf den letzten Höhepunkt der Saison gelingen?
Da bin ich ganz sicher. Alle sind unglaublich heiß auf das Finale. Es werden fast 5.000 Zuschauer erwartet. Natürlich war es eine lange Saison, eine lange und harte Saison gerade noch zuletzt durch die WM mit allen Enttäuschungen und Freuden für jeden einzelnen Spieler. Aber das gehört dazu. Das haben wir alle schon erlebt, und jetzt kommt das große Finale. Unsere Spieler freuen sich auf jeden Fall auf das Endspiel, und wir werden gemeinsam alles raushauen, was irgendwie geht.
Konnten Ihre Spieler denn noch Lehren aus dem Königsklassen-Finale für Frankfurt ziehen?
Lernen kann man immer irgendwas. Sicherlich kann Dang Qiu noch ein bisschen mutiger spielen und versuchen, aggressiver zu agieren. Timo wird gegen Darko Jorgic sicherlich auch gesehen und realisiert haben, dass er exzellent agiert und durchaus immer noch gegen Top-20-Spieler eine Chance hat. Das wird ihm Selbstvertrauen geben. Jeder zieht seine eigenen Lehren.
Von drei Möglichkeiten ist der Borussia nur noch das TTBL Liebherr-Finale als Chance auf wenigstens einen Titel in der ausklingenden Saison geblieben. Wie hoch ist der Erfolgsdruck dadurch?
Druck ist immer drauf, wenn man in Düsseldorf spielt. Jedes Finale ist Druck. Das gehört dazu, sonst macht es auch gar keinen Spaß.
Ihr Endspielgegner Ochsenhausen kann in Frankfurt nach seinem Pokalsieg befreiter aufspielen. Ist das ein Vorteil für Ochsenhausen und zugleich ein Nachteil für Borussia?
Der Vorteil von Ochsenhausens Mannschaft ist meiner Meinung nach weniger der Pokalsieg zu Jahresbeginn, sondern vielmehr das Bewusstsein nach einer unfassbar erfolgreichen WM mit einem Einzel-Vizeweltmeister und einem Doppelweltmeister, ein superstarkes Team zu sein.
Welcher Faktor wird Ihrer Ansicht im Endspiel entscheidend sein?
Bestimmt die Tagesform. Aber vielleicht auch schon die Aufstellung: Wer gegen wen - das wird eine Pokerei. Haben wir eine Chance, wenn wir vielleicht ins Doppel kommen? Wenn wir zum 2:2 kommen, wäre das für uns schon sehr gut, dann hätten wir sicherlich eine Chance. Das spielt alles eine Rolle bei der Aufstellung.
In Frankfurt bestreitet die Borussia erstmals in Ihrer schon jahrzehntelangen Amtszeit ein Bundesliga-Finale ohne ihren im April verstorbenen Verwaltungsratsvorsitzenden Hans Wilhelm Gäb. Welche emotionale Note gibt das dem Endspiel aus Düsseldorfer Sicht?
Hans fehlt natürlich, Hans fehlt überall. Es ist sehr, sehr traurig, dass er nicht mehr da ist. Er war das eigentliche Gesicht des Tischtennis-Sports über viele Jahrzehnte, ich kenne Tischtennis gar nicht ohne ihn, er war einfach immer da. Deswegen hat dieses Finale für uns und mich eine sehr besondere Note, und für den einen oder anderen, der auch schon sehr lange dabei ist, vielleicht auch. Hans wird uns die Daumen drücken, aber am Ende auch dem Besten den Sieg gönnen, denn Hans stand für Fairness wie kein anderer.
Im Falle einer Niederlage wäre Ihre Mannschaft erstmals seit 2020 in einer Saison ohne einen Titel geblieben. Welche Bedeutung hätte das für Ihren Verein?
Wenn man in ein Endspiel geht, kann man nur gewinnen oder verlieren. Deswegen muss man immer auch mit einer Niederlage rechnen. Wir werden alles raushauen, und wenn wir alles rausgehauen haben, ist es auch gut, und wir schauen dann, was dabei herausgekommen ist. Es geht im Sport auf und ab. Wir haben das alles schon oft erlebt. Wir würden aber auch eine Niederlage und damit eine Saison ohne Titel überleben. Doch natürlich wollen wir unbedingt gewinnen.
Borussias scheidendes Idol Timo Boll steht vor seinem letzten Spiel im Finale noch einmal im Mittelpunkt des Interesses. Wie bewerten Sie das?
Wenn die Ikone eines Sports wie Timo Boll im Tischtennis sein letztes Spiel bestreitet und dies ein Finale ist, dann kann es eigentlich gar nicht besser kommen. Natürlich ist das schwierig für ihn, aber auch für die Mannschaft. Für Timo, weil er zu allen Emotionen auch noch sehr viele Termine hat und dadurch die Konzentration leiden könnte. Aber wir freuen uns auf das Riesen-Event, das wird ein absolutes Tischtennis-Fest und vielleicht das Highlight schlechthin.
Lässt die Flut von Ablenkungen Boll denn noch ausreichend Raum für die Fokussierung auf sein Abschiedsspiel?
Sicherlich kann das ein kleiner Nachteil sein. Aber Timo ist ein absoluter Vollprofi, und er wird auch hier seinen Weg finden, damit umzugehen. Am Ende ist es ja auch ein Geschenk, in einem Abschiedsspiel ein Finale zu spielen, und da gehören Nebengeräusche dazu.
Die Mannschaft ist durch die Aufmerksamkeit für Boll in den Hintergrund gerückt. Wie geht Ihr Team damit um?
Das Team geht damit wunderbar um, das ist für niemanden von den Jungs ein Problem. Timo ist ein Vorbild für alle, deswegen neidet ihm auch niemand, dass er noch einmal im Mittelpunkt steht – im Gegenteil: Alle freuen sich für Timo und werden sich mit allem, was sie haben, reinhängen, damit Timo mit uns noch einen letzten Titel gewinnen kann.
Wenn in Frankfurt der Sieger feststeht, ist die „Ära Timo Boll“ bei Borussia Düsseldorf endgültig nur noch Geschichte. Was bedeutet das für Ihre Mannschaft und auch den Verein?
Es endet wirklich eine Ära, wahrscheinlich sogar die größte und erfolgreichste unserer Vereinsgeschichte, Aber vielleicht beginnt nach und nach auch wieder eine neue. Ich habe in mehr als 41 Jahren bei Borussia immer wieder erlebt, dass es auf und ab ging, es gab verschiedene Ären. Natürlich sind wir bei Borussia alle traurig über Timos Abschied, aber vor allem sind wir alle sehr dankbar, dass Timo so lange Jahre bei uns gewesen ist. Jetzt beginnt aber eine neue Zeit, und daran arbeiten wir - es geht immer weiter. Denn bei all seinen Verdiensten und Erfolgen: Borussia Düsseldorf ist immer mehr als Timo Boll.
In die kommende Saison geht Düsseldorf zum ersten Mal seit fast 20 Jahren wohl in keinem von allen drei Wettbewerben als Favorit ins Rennen. Was bedeutet dieser Rollenwechsel?
Wir sind in der kommenden Saison wahrscheinlich wirklich in keinem Wettbewerb Favorit. Das macht es interessant, das ist auch eine Chance, denn wir haben wieder eine starke Mannschaft.
Welche Erwartungen haben Sie unter diesen Umständen an die neue Saison? Gibt es schon eine Zielsetzung?
Wir wollen um einen Titel spielen. Das ist auch das Ziel der Jungs. Letztlich geht es aber auch um die Weiterentwicklung der Spieler. Wir haben eine sehr interessante Mannschaft. Wir haben mit Kanak Jha einen jungen weiteren Entwicklungsspieler neben Borgar Haug dazubekommen, und auch Dang und Anton Källberg sind noch lange nicht am Ende ihrer Entwicklung. Wir werden ein gutes Doppel haben. Damit wir den Alltag überstehen, haben wir den Chinesen Lin Yongyin verpflichtet. Ich hoffe auf weitere Finals und große Titelkämpfe.
Noch einmal zu Timo Boll: Mit welchen Emotionen werden Sie nach so vielen Jahren, 18 Jahre, um genau zu sein, das letzte Spiel seiner langen Laufbahn an der Box verfolgen?
Das Finale wird nun wirklich und endgültig Timos aller-, aller-, allerletztes Spiel sein, the last dance, der letzte Tanz. Deswegen wird es unabhängig vom Ergebnis sehr, sehr emotional werden. Es gäbe für Timo und für uns natürlich nichts Schöneres als noch einen letzten gemeinsamen Titel zum Abschied. Solch ein Titel ist im Sport jedoch keine Selbstverständlichkeit, und leider gibt es auch kein Drehbuch, wonach Timo in seinem letzten Spiel nochmal gewinnt. Aber bei uns werden alle natürlich darum kämpfen und alles dafür geben. Aber ich glaube, dass alle in ganz Tischtennis-Deutschland sich allem Abschiedsschmerz auf diesen Tag auch freuen, denn es wird ein ganz großes Tischtennis-Fest. Und ganz, ganz am Ende wird auch mir dann nur noch eines zu sagen bleiben: Danke, Timo!
Vielen Dank für das Gespräch, Andreas Preuß.
Interview: Florian Manzke